700 Jahre Kuntersweg zwischen Bozen und Kollmann

 

Der Tiroler Geschichtsverein hat sich zum Anlass der Erstnennung vor 700 Jahren auf die Spurensuche nach den Resten des historischen Weges gemacht und ist fündig geworden.

 

 

Als am 22. September 1314 Heinrich, König von Böhmen und Polen, Herzog von Kärnten, Graf von Tirol und Görz, Vogt der Bistümer Aquileia Trient und Brixen, in seiner Burg Gries dem Kaufmann Heinrich Kunter, Bürger von Bozen und Hall, den Weg durch die Eisackschlucht zwischen der Feigenbrücke außerhalb Bozen und Kollmamm als Lehen überließ und ihn ermächtigte, einen Zoll zu erheben, war der Landesfürst sich der Bedeutung dieser Wegverbindung und der Schwierigkeit, sie offen zu halten, bewusst.

 

Heinrich und seine bereits verstorbenen Brüder hatten nach den langen Auseinandersetzungen ihres Vaters Meinhards II. mit den Bischöfen von Trient und Brixen einen vorteilhaften Frieden und Ausgleich erreicht und er war bemüht, den Durchzugsverkehr, der für ihn sehr einträglich war, weiter in Schwung zu halten. Dazu gehörte der Ausbau und die Instandhaltung der Straßen und die Förderung der anliegenden Städte; unter diesen in erster Linie der Stadt Bozen, deren Kern zwar dem Bischof von Trient gehörte, die Randbezirke aber ihm als Landesfürsten.

 

An der wichtigen Handelsstraße von Venedig nach München und weiter, die über Bozen, Innsbruck und Hall führte, bildet die Eisackschlucht noch heute ein Nadelöhr, und nachdem sie durch die Eröffnung des „Kuntersweges“ wieder mit Saumtieren begehbar geworden war, ersparte man den Kaufleuten und Reisenden den mühsamen Umweg über den Ritten, der wie eine neuere Studie von Irmtraud Heitmeier zeigt, um 800 eröffnet worden war, nachdem die alte Römerstraße durch die Eisackschlucht damals seit etwa 300 Jahren als verfallen gelten mag.

 

Kaiser und Könige, Ritter und Mönche, Kaufleute und Pilger hatten über 500 Jahre lang mühsam den Ritten erklommen und sind auf der anderen Seite wieder hinabgestiegen. Die Eröffnung dieses Weges war daher eine höchst willkommene Maßnahme, trotzdem brachte der Zoll nicht genügend Gewinn, um die Erhaltungskosten zu tragen. So kam bald der Gedanke auf, mittels einer Stiftung die Spesendeckung zu sichern. Arnold Jaudes, Spross einer wohlhabenden Bozner Kaufleutefamilie, hat 1365 eine solche errichtet und Kulturgründe und Häuser in und um Bozen dafür zur Verfügung gestellt.

 

Im 15. Jahrhundert machte Herzog Sigmund der Münzreiche die Erhaltung des Kuntersweges zu Landesache und ließ ihn zu einem Fahrweg ausbauen. Bei dieser Gelegenheit wurde zum ersten Mal Schwarzpulfer als Sprengstoff im Straßenbau eingesetzt, wie der Ulmer Dominikaner Felix Faber berichtet, der den gerade fertig gestellten Weg 1474 auf seiner Rückkehr von Jerusalem benützen konnte.

 

Seither ist die alte Trasse des Kuntersweges vielfach überbaut worden. Nach verschiedenen Erweiterungen der Landstraße im 18. und 19. Jahrhundert, wurde die Eisenbahn auf dieser Strecke errichtet, die in neuester Zeit nach über 150 Jahren Bestand zwar in den Felsen verlegt worden ist, dafür aber Platz für einen Radfahrweg machte; zwischendurch war in den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts die Autobahn durch das Eisacktal geführt worden, bei deren Bau der alte Wegverlauf an verschiedenen Engstellen weitere Verluste erlitt. Der langjährige Präsident des Bozner Heimatschutzvereins Norbert Mumelter konnte in seinem Führer 1984 noch fast den gesamten Streckenverlauf von Kardaun bis Blumau zum Wandern anbieten. Heute ist davon nur mehr ein kleiner Rest begehbar.

 

Die Sektion Bozen des Tiroler Geschichtsvereines hat zum Anlass der Ausfertigung der Belehnung für Heinrich Kunter vor 700 Jahren die Spurensuche in den Archiven und in der Natur aufgenommen und konnte ein Teilstück der alten Trasse zwischen Hochklausner und Gallbichl bei Blumau ausfindig machen. An diesen beiden Punkten mussten der historische Kuntersweg und wohl auch die Römerstraße die zu enge Talsohle verlassen, um über die beiden vorstehenden Felsnasen weiterzukommen. Bei der Begehung wurde den Teilnehmern des Tiroler Geschichtsvereins die Enge dieser Strecke vor allem durch den teilweise ohrenbetäubenden Lärm ins Bewusstsein gebracht.

 

Im Gelände sind die Zeugnisse dieses für Bozen und Tirol so wichtigen historischen Weges selten geworden; es könnten noch die ehemaligen Gasthäuser beim Deutschen und bei der Törggele Brücke sowie das alte Zollhaus in Kollmann genannt werden. Dafür wird noch fast die gesamte Dokumentation bestehend in zahlreichen Urkunden und Rechnungsbüchern im Südtiroler Landesarchiv und in anderen Archiven aufbewahrt.

                                                                                                          JN

 

Die alte „Feigenbrücke“ über den Eisack in Kardaun am Südende des Kuntersweges, von wo der sogenannte „hohe Weg“ in die Stadt führte. Wenn Gefahr bestand, daß ansteckende Krankheiten eingeschleppt werden konnten, wurde die Brücke für Bettler und fußgehendes Volk gesperrt, so daß diese am linken Eisackufer, ohne die Stadt betreten zu dürfen, ihren Weg fortsetzen mußten.

Federzeichnung von Hugo Atzwanger.